Decorganizing

 

Vor einer Weile bin ich auf die Sendung Organize `n Style gestoßen – kann man auf Joyn oder hier nachschauen. Kleine Zusammenfassung: Isabella Franke arbeitet in der Sendung mit verschiedenen Menschen zusammen, die Ordnung ins Chaos bringen möchten und zeigt dabei die verschiedenen Möglichkeiten des „Home Organizing“ kombiniert mit Deko-Elementen. Decorganizing meint demnach die Fusion von Dekorieren und Organisieren. Man könnte auch sagen: Organisation, die nicht nur praktisch und funktional, sondern auch hübsch anzusehen sind und eine gewisse Ästhetik in Stil und Aufmachung haben. 

Ich fand die Sendung ziemlich unterhaltsam, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass ich immer wieder Dankbarkeit darüber erlebte, dass ich selbst mit so wenig Dingen lebe, dass differenziertes und gut durchdachtes Organizing im Grunde überflüssig wird, aber dazu später mehr. Was ich viel spannender finde, ist die Warte von der aus der Grundgedanke der Sendung entsteht: 



Die Verwaltung der Dinge

Ich habe schon vor einigen Jahren über die Flut der Dinge geschrieben und was sie bedeutet. Nicht nur für den einzelnen Privathaushalt, sondern auch für die Gesamtgesellschaft. Es ist einfach, sich im Überfluss zu verlieren. Dabei ist Ordnung kein Mysterium, wenn jedes Teil seinen eigenen, festen Platz hat und nach Gebrauch an eben diesen Platz zurückgebracht wird – dann ist „Ordnung halten“ ein absoluter Selbstläufer und kostet keine extra Aufräumzeit. 

Es ist Fakt: Je mehr Dinge, desto mehr Platz, desto mehr Differenzierung ist beim Organisieren nötig. An dieser Stelle sei gesagt, dass ich „Decorganizing“ keinesfalls in ein schlechtes Licht rücken will. Ich habe selbst schöne, „funktionslose“ Dinge, die hübsch angeordnet oder drapiert sind und genieße das sehr. Ebenso mag ich den Anblick von ästhetisch organisierten und beschrifteten Schränken, Schubfächern, Bücherregalen, Boxen oder was auch immer – vor allem, wenn es wirklich Dinge zu organisieren gibt wie Sammlungen oder im beruflichen Kontext.

Dennoch zeigt sich beim Thema „Decorganizing“ die dunkle Seite des Mondes: Es gibt Menschen, die so viele Dinge besitzen, dass sie den Überblick über diese Dinge vollständig verloren haben. Dann müssen überfüllte Küchenschränke, vollgestopfte Kellerräume und überquellende Kleiderschränke mühsam ausgeräumt und aufwendig organisiert werden. Darüber hinaus ist ja auch nicht von der Hand zu weisen, dass voll durchorganisierte "Mega"-Küchen oder Kleiderschrankwände zu einem echten Statussymbol geworden sind. Ich finde es super, dass es Menschen gibt, die ihre Leidenschaft „Ausmisten und Aufräumen“ zum Beruf gemacht haben und anderen dabei helfen, die Flut der Dinge zu bewältigen. Und dennoch steckt darin eine gewisse Tragik, Beklemmung, vielleicht sogar Absurdität?



Besitz macht besessen

Es gibt sicherlich genug Menschen, die sich überhaupt nicht an einer mit Dingen überfüllten Umgebung stören. Möglicherweise ist die Empfindlichkeit gegenüber Reizen durch eine hohe Anzahl an Besitztümern auch ein Resultat unserer Überflussgesellschaft, in welcher unsere Gehirne täglich mit neuem Input geradezu bombardiert werden. Es lässt sich jedoch nicht von der Hand weisen, dass der Mensch als Spezies in seiner gesamten Geschichte nie mehr Dinge besessen hat als der zivilisierte, sesshafte Mensch es heute tut. 

So wie unsere Gehirne kognitiv nicht auf die gegenwärtige Reizflut ausgelegt sind, so überfordernd kann die Verwaltung der vielen Dinge sein, die der zivilisierte Mensch ansammelt und teilweise regelrecht hortet. Neuroplastizität hin oder her: Alles was wir besitzen, müssen wir auch warten, reinigen, platzieren, sortieren, organisieren, reparieren, entsorgen, erneuern, nachkaufen, finanzieren, versichern. Besitz fordert uns, Besitz besitzt uns, Besitz macht besessen, weil Besitz verwaltet werden will. 



Simplifizieren statt Organisieren

Ich mag das Gesetz von Parkinson im Kontext von Minimalismus, Essentialismus und Besitzreduktion: Wenn ich weniger Platz habe, bleibt auch weniger Platz für Dinge. Je weniger Dinge ich benötige, desto freier werde ich in der Art und Weise, wie ich diese Dinge anordne, unterbringe oder organisiere. Dann fallen auch Boxen, Tiegelchen und Gläser weg. Wenn wenig bleibt, fällt der Organisationsprozess sehr viel einfacher aus und es werden weniger Möbel mit Stauraum benötigt. Ich mag die Fusion von Funktion und Stil: Je einfacher, desto leichter. Weniger Teile, dafür mehr Qualität und Dekoration die wirklich in Szene gesetzt ist.

Und: Das letzte Hemd hat keine Taschen – ich setze also neben den absoluten Basics auf persönliche Weiterentwicklung. Am Ende geht der Mensch, sein Besitz bleibt zwar, woran die Erinnerung hängt ist jedoch nicht „Was hat er oder sie besessen?“ sondern „Was hat er oder sie in der Welt bewegt?“. Zugegeben, das sind sehr philosophische Gedanken, aber sie rütteln auch wach und erinnern vielleicht ein wenig an das, was wirklich wesentlich ist: 

Weniger statt noch mehr, weniger und dafür besser, ein bisschen „Memento Mori“ und die tiefe Erkenntnis darüber, was zählt: Werte statt Dinge.



Und ihr? Minimalisiert ihr gerade, organisiert, dekoriert?
Wie gefällt euch die Idee von „Decorganizing“?

 

 

Kommentare: 3
  • #3

    Aurabytes (Freitag, 13 Juni 2025 09:01)

    Huhu Felix, ja da sagst du was. Für mich muss Deko auch irgendwie eine symbolische Funktion erfüllen, nur dann kann ich mich auch überhaupt an Dekorationsgegenständen erfreuen. Erinnerungen, selbst gefundenes oder gesammeltes oder einfach symbolisch bedeutsames wie meine beispielsweise meine Krötenfigur sind für mich dann eine Bereicherung - sie nähren einfach die "guten" Hausgeister. :)

  • #2

    Felix (Donnerstag, 12 Juni 2025 22:44)

    Ich finde das Gesetz von Parkinson in diesem Kontext sehr treffend. Je mehr Platz ich habe, desto mehr Dinge häufe ich an, um den Platz zu füllen.

    Zu viele Dinge lenken ab. Ich mag eine reduzierte Umgebung. Aber dennoch: Wenige, mit Bedacht ausgewählte Gegenstände zur Dekoration finde ich angebracht, wenn sie mich dazu bringen, mich wohler zu fühlen. Beispielsweise Erinnerungen an schöne Urlaube.

  • #1

    V (Donnerstag, 12 Juni 2025 16:07)

    Ich halte ein umfüllen von Lebensmitteln in hübschen Gläsern und sonstigen Behälter mit entsprechenden Labels für ziemlich unnötig, auch wenn es natürlich hübsch aussieht. Zum einen bedarf es erst mal die Anschaffung von solchen Boxen und zum anderen verbleibt ein großer Teil der Lebensmittelvorräte immer noch in den jeweiligen Originalverpackungen, weil diese ständig zum nachfüllen genutzt werden. Weniger wird es somit nicht. Eine grundlegende Organisation in der Küche, Kleiderschränken, Garage und Keller sollte natürlich trotzdem bestehen. Hier gilt es ohnehin eine eigene Struktur zu entwickeln- sofern dies eben überhaupt erforderlich ist ;)

    Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, die Sendung mit dir zu sehen :)