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Klartext

 

Minimalismus beschränkt sich nicht nur auf materielle Güter und digitalen Besitz. Auch mental und sozial betrachtet, ist eine einfache, klare und achtsame Herangehensweise angenehm und sogar bereichernd. Vielleicht kennst du die Hürden und Blockaden, die sich durch missverständliche oder unklare Kommunikation auftürmen – jemand sagt etwas, meint aber etwas ganz anderes oder bestimmte Bedürfnisse und Gedanken werden vollständig verschwiegen. Im schlimmsten Fall resultieren daraus Wutausbrüche oder andauernde oder widerkehrende Schweigebehandlungen, die jegliche Formen und Arten von Beziehungen immer weiter verkrampfen lassen.


Warum ist klare Kommunikation schwierig?

Ist sie nicht. Klar zu kommunizieren heißt lediglich, seine eigenen Bedürfnisse zu kennen und diese transparent und offen mitzuteilen. Ohne Rechtfertigung, mit Wertschätzung und Authentizität sich selbst und der anderen Person gegenüber. Warum kommt es dennoch oft zu Blockaden und Schwierigkeiten?

Die Antwort ist auch hier sehr simpel und vielleicht kennst du sie auch schon selbst: Wir kommunizieren unsere Bedürfnisse nicht, weil wir befürchten auf Ablehnung zu stoßen – es entstehen Rollenkonflikte. Wir fühlen uns angreifbar und verletzlich, wenn wir offen und ehrlich darüber sprechen, was wir möchten und vor allem was wir nicht möchten. Was,  wenn unsere Bedürfnisse und Wünsche dem Gegenüber missfallen oder sogar Unverständnis oder Ärger auslösen?

Der Mensch ist ein soziales Wesen und braucht zu seinem emotionalen Überleben die Anerkennung und Wertschätzung seiner Mitmenschen. Wie oft hast du etwas gesagt oder getan nur weil es von dir erwartet wurde oder als „sozial erwünscht“ gilt? Wie oft hast du jemanden mit Schweigen behandelt, nur weil du insgeheim darauf gewartet hast, dass dein Gegenüber deine Bedürfnisse aus deinen Gedanken herausliest?

 


Wir kennen wahrscheinlich alle diese Kommunikation...

„Was ist los, du siehst traurig, ängstlich, müde, wütend aus?“
– „Es ist nichts, alles in Ordnung.“
„Aber ich sehe doch, dass etwas nicht stimmt!“
– „Nein es ist alles gut.“
„Vielleicht möchtest du darüber reden?“
– „Nein, es ist nichts.“

 


Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, wie zerstörerisch eine solche Kommunikationsweise ist. Sowohl Freundschaften, Partnerschaften als auch Beziehungen zu Eltern, Verwandten oder Arbeitskollegen können davon betroffen sein und erheblich darunter leiden. Auch permanentes Ja-Sagen und Zustimmen kann zu einem großen Problem heranwachsen, wenn man sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse immer wieder übergeht. Das macht nicht nur unzufrieden, sondern stellt auch eine emotionale Belastung dar.


Klartext sprechen

Klartext zu sprechen heißt nicht, dass ich jeder erdenklichen Person von jetzt an jeden Tag unangenehme Wahrheiten auftischen muss oder alles, was jemand tut oder nicht tut, schonungslos ehrlich kommentieren muss. Klartext zu sprechen ist immer dann sinnvoll, wenn eine offene Frage oder Bitte, ein Konflikt oder ein Missverständnis im Raum steht.

Beispiel: Du wirst von deinem Vorgesetzten oder Lehrer gebeten, eine zusätzliche Aufgabe zu übernehmen. Bitte um eine Bedenkzeit und überlege dir genau, was für dich gerade stimmig ist. Nach der vereinbarten Bedenkzeit kannst du dich gesammelt äußern. Das kann bedeuten, dass du einverstanden bist und die Aufgabe übernimmst. Es kann aber auch bedeuten, dass du zu dem Ergebnis kommst, dass du die Bitte ablehnen musst: „Nein, leider passt es mir zeitlich nicht.“ Ein Nein bedarf keiner zusätzlichen Erklärung oder Rechtfertigung, auch wenn es sich oft so anfühlt. Du bist natürlich frei, eine passende Alternative zu vereinbaren oder auf andere Art und Weise deine Hilfe anzubieten. Probiere aus, was sich für dich stimmig anfühlt.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass es in der ersten Zeit sehr unangenehme Gefühle – bis hin zu Schuldgefühlen - in dir auslöst, wenn du offen und ehrlich deine Bedürfnisse kommunizierst. Das ist ganz normal, wenn du deine Bedürfnisse zuvor öfter übergangen bist. Du wirst spüren, dass es sich von Mal zu Mal besser und stimmiger anfühlen wird, wenn du authentisch bist.


Umgang mit Ablehnung

Nicht jede ehrliche Bekundung von dir wird auf Freudenschreie und Begeisterung stoßen. Eine Verabredung absagen, jemandem widersprechen oder konstruktives Kritisieren einer Verhaltensweise kann schonmal zu unangenehmen Konsequenzen, Ärger oder sogar persönlicher Angegriffenheit führen. Persönliche Angegriffenheit endet nicht selten in Wut und Schweigen – auch unter Erwachsenen!

Ich kann dir keine Patentlösung geben, wie du damit am besten umgehen kannst. Was mir hilft ist folgende innere Haltung:

„Solange ich echt bin und dabei freundlich und sachlich, stehe ich hinter allem, was ich sage und tue oder nicht tue – auch wenn ich einer Minderheit angehöre. Wenn ich meine Bedürfnisse und Gefühle authentisch kommuniziere, nehme ich jedem Gegenüber die persönliche Angriffsfläche, die durch Unausgesprochenes entsteht. Ich zeige mich echt, menschlich und reflektiert.“

Mit diesem „inneren Mantra“ fühle ich mich aktuell sehr wohl. Es fühlt sich richtig an, hinter dem zu stehen, was ich wirklich fühle, denke und tue. Und ich beobachte, dass ich in meinem Alltag schon einige Mitmenschen damit inspirieren konnte. Es ist oft eine riesige Erleichterung für alle, wenn es wenigstens eine Person gibt, die den riesigen Elefant, der im Raum steht, klar und deutlich benennt.

Wir sind alle Mensch und lernen jeden Tag dazu – sich darüber im Klaren zu sein, nimmt viel Druck und Spannung weg. Jeder liegt mal falsch oder erkennt, dass eine Aussage oder eine Handlung sich nicht bewährt hat in der Praxis. Sich selbst zu revidieren und über sich selbst hinauszuwachsen gehört zu diesem Prozess dazu. Eine persönliche Meinung darf sich verändern und es muss nicht alles für gut befunden werden, nur weil die Mehrheit es tut. Und noch eine ganz wichtige innere Haltung: "Nicht jeder muss mich mögen. Andere dürfen mir Ablehnung entgegenbringen." Das klingt verrückt, macht aber unglaublich frei!


Grenze dich ab!

Erkenne, dass Ablehnung ein Gefühl ist, dass du selbst empfindest. Es hat daher auch mehr mit dir selbst zu tun als mit der Person, von der du dich abgelehnt fühlst. So ist es mit jedem emotionalen Thema. Ist deine Partnerin oder dein Partner verärgert und wütend auf dich? Ihre oder seine Wut hat vor allem mit ihr oder ihm zu tun und weniger mit dir – du hast lediglich einen Teil dazu beigetragen, die Emotion an das Tageslicht zu befördern. Grenze dich emotional ab – deine Themen bleiben bei dir. Es liegt ohnehin nicht in deiner Reichweite, die emotionalen Themen und damit verbundenen Verhaltensweisen deines Gegenübers zu lösen oder zu besänftigen.

Und, sprichst du schon Klartext?

 

 

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