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Gleichmut

 

Dieser Artikel wollte eine Weile heranreifen, ehe ich ihn jetzt und heute schreibe. Beim Durchscrollen vieler Minimalismus-Blogs sehe ich immer wieder ganz verschiedene und mannigfaltige Formen und Farben von Minimalismus. Dabei ist Minimalismus auch nur ein Konzept, ein Begriff, eine Idee von etwas:

Minimalismus ist Befreiung.
Minimalismus ist Unabhängigkeit.
Minimalismus ist Nachhaltigkeit.
Minimalismus ist Konsumkritik.
Minimalismus ist das einzig Wahre.
Minimalismus ist ein persönlicher Weg.
Minimalismus ist Freiheit.
Und so weiter.

Was ist Minimalismus für mich? Zunächst nur ein hilfreicher Begriff, um im Netz und unter Leuten leichter gefunden zu werden. Sozusagen eine Hilfestellung zur „Schubladisierung“ meiner Inhalte, die ich der Welt zur Verfügung stellen möchte. Unter der Oberfläche von frugalistischen Ansätzen, nachhaltigen Konsumvarianten, Aufräum-Tipps und Ausmisterei ist das, was sich für mich hinter dem Begriff „Minimalismus“ verbirgt viel tiefreichender.

Ich war schon „minimalistisch“, bevor ich überhaupt wusste, dass man „minimalistisch“ sein kann und dass dieses Wort überhaupt existiert. „Minimalismus“ war und ist für mich nie ein Ziel gewesen, das ich erreichen wollte. Von wegen: Ich werde jetzt Minimalistin. Und um Minimalistin zu werden, miste ich jetzt alles aus, lasse die Wände weiß und vergnüge mich nie wieder mit Fernsehen, Spielekonsole und Smartphone.

Ich habe erfahren, dass das was ich mache „Minimalismus“ sein könnte, als ich es schon einige Zeit gelebt habe. Und hier liegt der Knackpunkt:

 

„Minimalismus“ ist in meinem Fall das Resultat einer tieferliegenden inneren Haltung gegenüber dem Leben selbst. Ich habe mich gefühlt schon immer für mehr interessiert als die Nachrichten, den neusten Klatsch und Tratsch, den 9-to-5-Job, den neusten Nagellack oder den täglichen Small-Talk beim Bäcker nebenan. Ich habe mir andere Fragen gestellt: Wo komme ich her? Was sind meine Wurzeln? Was verbindet mich mit mir und dem Leben? Was ist das überhaupt – das Leben?


Für mich ist die Auseinandersetzung mit mir und meinen Fragen an das Leben essentiell. Und deshalb sind andere Sachen weniger wichtig und folglich uninteressant für mich. Hieraus ergibt sich „mein Minimalismus“. Mich fasziniert das Wesentliche, der Kern von allem.

 

Auf der Suche nach diesem Kern, setze ich einen Schritt vor den anderen. Und was dabei herauskommt ist offensichtlich das, was man gemeinhin als Minimalismus bezeichnen kann. Zumindest das, was sich im greifbaren „Außen“ zeigt, in der Welt des Greifbaren. Der wesentliche Teil meines Wegs vollzieht sich im Inneren, unsichtbar für das Außen.

Dabei folge ich keinen Dogmen oder Vorschriften, da sich der Weg aus sich selbst heraus ergibt. Ich tue das, was stimmig ist für mich oder besser gesagt: Ich übe mich darin. Wenn ich Spaß an etwas habe, dann habe ich Spaß daran. Wenn mich etwas nervt oder stört, dann drücke ich mein Genervtsein darüber aus. Es heißt: Wenn das eigene Handeln stets Ausdruck der inneren Erkenntnis ist, formt sich der Weg der Stimmigkeit von selbst. Er entsteht im Nicht-Tun aus dem Wu Wei heraus. Osho sagte:

 

"Es braucht nur eine Sache im Leben:

In der Gegenwart verwurzelt sein."

 

Darin liegt Gleichmut. Und die Freiheit weder für etwas, noch gegen etwas zu sein. Darin liegt die wirkliche Freiheit und die innere Unabhängigkeit von Dogmen, Konzepten oder gesellschaftlich erwünschten Statusbildern. Aber auch diese Unabhängigkeit ist keine Unabhängig im klassischen Sinne, sondern sie ist ein Hinterfragen, Hinterschauen, Hinterfühlen dessen, was wahrgenommen wird. „Minimalismus“ ist nur ein Begriff. Alle Ausformungen von „Minimalismus“ sind temporär und individuell.

Entscheidend ist: Was ist jetzt gerade stimmig? Was empfindest du und lebst du diese Empfindung, indem du sie fühlst und durchdringst? Oder drückst du sie weg, in der Hoffnung auf angenehmere Empfindungen? Was tust du aus einem Zwang des Tun-Müssens heraus? Wo lachst du, obwohl du Wut empfindest? Wo lebst du nicht stimmig mit dir?

Dein Weg ins Leben entfaltet sich im Handeln durch Gleichmut.
Gleichmut, nicht Gleichgültigkeit, führt dich automatisch zu dem, was stimmt.

 

Was nimmst du jetzt und hier gerade wahr?

Bleibe genau dort.

 

 

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