Meine Gedanken zum aktuellen Weltgeschehen, Verschwörung und Globalisierung – in welches gesellschaftliche Zeitalter steuern wir? Ich lehne mich mal wenig aus dem Fenster, mache ein paar Fässer
auf und komme womöglich zu einer hilfreichen Erkenntnis. Holt euch eine Tasse Tee – es wird heute etwas ausführlicher.
Vorweg: Die Komplexität unserer Welt ist für uns im Grunde gar nicht erfassbar. Die Zusammenhänge und Beziehungen der globalen Schichten gleichen einem chaotischen Fraktal, das vielleicht nur
eine vage Ordnung erkennen lässt. Ich nehme aktuell eine relativ hohe Anspannung in meinem sozialen Umfeld wahr: Da sind Ängste, den Krieg betreffend, die steigende Inflation, niedrige Löhne,
Krankheit, das Klima, die Politik, Überwachung und die Angst vor einem Sozialkredit-System wie es in China Realität ist. Da ist Sorge um die eigene Existenz, Wut über Ungerechtigkeit über unzulängliche Konzepte der
Politik.
In der aktuellen Zeit muss man sehr achtsam mit dem sein, was man äußert. Ich habe selbst erlebt, wie schnell man in die mittlerweile allseits bekannte „rechte Ecke“ geschoben wird, als
unsolidarisch gilt, weil man etwas hinterfragt, das uns als „richtig“ verkauft wurde oder weil man schlicht den Finger in eine Wunde legt, die nicht ist, weil sie nicht sein darf.
Am Anfang war der Lustgewinn
Wo müssen wir eigentlich anfangen, wenn wir aktuelles Weltgeschehen „verstehen“ und einordnen wollen? Und zwar möglichst adäquat und „neutral“? Die Entwicklung der Menschheit wäre vielleicht ein
guter Anfang. Verglichen mit einer 24-stündigen Erdentwicklung mit all ihren Formen und Farben, ist der Mensch gerade einmal ein paar Minuten auf unserem Planeten anwesend. Und wie das mit der
Evolution nunmal so läuft: Jede Spezies hat einen inneren Antrieb zum Überleben.
Arterhaltung - dazu gehört alles, was zum Fortbestehen einer Spezies beiträgt: Sex, Essen, Schlafen, Spaß. Ganz platt ausgedrückt. Natürlich gehört noch mehr dazu, ich vereinfache das Ganze
einmal bewusst, um es greifbarer zu machen. Der Punkt ist: Jede Aktivität, die zum Arterhalt beiträgt beeinflusst die Dopaminausschüttung – wir werden von unserem Gehirn „belohnt“.
Es geht also um Lustgewinn, denn alles, was Lust bereitet, muss gut sein zum Überleben, so der Mechanismus den die Evolution uns „eingebaut“ hat. Dass diese Rechnung in unserem Zeitalter
massenmedialer Überstimulation nicht mehr so ganz in unserem Sinne aufgeht, liegt sicherlich auf der Hand. Ganz zu schweigen von der Zucker-Lobby, aber das ist ein anderes Thema.
Einher mit dem Lustgewinn geht die Schmerzvermeidung. Beides zusammen sichert ziemlich zuverlässig das Überleben in einer artgerechten Umgebung. Das sage ich bewusst dazu, da in
unserer aktuellen Umgebung Lustgewinn sogar zum Tod führen kann. Eine paradoxe Umkehrung. Dazu später mehr.
Mit diesem vereinfachten Modell von Lustgewinn und Schmerzvermeidung lassen sich viele menschliche Verhaltensweisen erklären und verstehen, auch wenn es ein stark vereinfachtes Modell ist.
Menschen sind seit ihrer Existenz darin bestrebt, mehr Lust zu gewinnen und mehr Schmerz zu vermeiden. Das hat zu einigen sehr angenehmen Umständen geführt: Wir haben den Ackerbau kultiviert,
Häuser gebaut, das Feuer für uns erschlossen und für beständige Wärme gesorgt. Eine Menge Schmerz wird uns allein dadurch erspart, dass unsere Grundbedürfnisse gesichert sind.
Das Problem mit der Mausefalle
Keine Maus dieser Welt würde auf die Idee kommen, eine Mausefalle zu bauen. Der Mensch ist da irgendwie anders gestrickt. Menschen sind im Grunde sehr territorial. Anders als Fluchttiere, die in
Herden nomadisch umherziehen, ist der Mensch eine soziale, proaktive Spezies, die Ressourcen aktiv sowie strategisch nutzt, indem er sie fortschreitend erschließt und selbst reproduziert,
beispielsweise durch Anbau, Vermehrung, Domestizierung und so weiter.
Hinzu kommt die unglaubliche hohe Anpassungsfähigkeit des Menschen und seine Fähigkeit zu bewussten, reflektierten und planvollen Gedankengängen. Die Fähigkeit viele „Schachzüge“ vorauszudenken
hat dazu geführt, dass Homo Sapiens den Planeten so erfolgreich und großräumig besiedeln konnte. Technische Fortschritte, Wissenschaft und soziale Herrschaftsstrukturen bringen die globalisierte
Welt hervor, in der wir heute leben.
Es gibt allerdings einen Haken. Es mag vielleicht befremdlich erscheinen, wenn man die Regeln von Lotka-Volterra auf die Menschheit anwendet, jedoch liegt das wahrscheinlich vor allem daran, dass
wir uns als Menschen immer noch als wichtiger und „höherwertig“ ansehen als andere Lebewesen auf dieser Erde. Lotka-Volterra macht den Haken sichtbar: Eine Population kann sich ausbreiten, wenn
genug Ressourcen vorhanden sind, um die Arterhaltung sicherzustellen. Sind die Ressourcen aufgebraucht, verkleinert sich die Population wieder oder stirbt aus, falls sie gänzlich
kollabiert.
Ein einfaches Beispiel: Kaninchen im Garten vermehren sich stark, wenn es viel saftigen Klee und andere Kräuter gibt. Irgendwann ist der Klee aber aufgefressen oder wächst nicht mehr schnell
genug nach. Die Kaninchen können sich also nicht mehr so stark vermehren, weil das Futter einfach nicht ausreicht. Hinzu kommen auch noch Raubtiere, die die Kaninchen fressen. Der Mensch ist kein
Kaninchen. Wir können unser Überleben auf sehr viele verschiedene Ressourcen stützen. Und natürliche Raubtiere haben wir nicht mehr. Der Mensch steht an der Spitze der Nahrungskette.
Das Problem liegt auf der Hand: Je größer eine Population ist, desto mehr Ressourcen benötigt sie, um sich zu erhalten. Das steigt exponentiell. Aktuell stehen wir an einem Punkt in unserer
Geschichte, an dem ersichtlich wird, dass die Ressourcen schon in naher Zukunft nicht mehr ausreichen werden bzw. regeneriert werden können, wenn wir jetzt nicht etwas ändern. Es gibt dazu auch
spannende Berechnungen, wie viele „Erden“ wir bräuchten, um so weiterzuleben, wie wir aktuell leben.
Und dabei ist zu sagen, dass bei weitem nicht alle Bevölkerungen so leben wie wir hier im Westen. Die Ungleichheit ist enorm. Allein mit der Abschaffung von Massentierhaltung und überhöhtem
Fleischkonsum könnten enorm große Mengen an pflanzlicher Nahrung „frei“ werden, um ganze Bevölkerungen zu ernähren, die aktuell Hungertode leiden. Aber hier kommt wieder die Schmerzvermeidung ins
Spiel.
Wissenschaft versus Menschenverstand
Gerade wir im Westen sehen uns oft als einen Teil der „vernünftigen“ und wissenschaftsorientierten Bevölkerung. Und doch hat noch kein Politiker von jetzt auf gleich die Massentierhaltung
abgeschafft, die Herstellung von verzuckerten Lebensmitteln verboten oder die 40h-Arbeitswoche angepasst, die bei aktueller Arbeitsverdichtung einfach nicht mehr funktioniert. Das ist
Schmerzvermeidung in Aktion, trotz aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Unsere Konsumgesellschaft hat ein dichtes Netz gesponnen, in dem wir alle verankert sind, ob wir das wollen oder nicht. Wir alle unterliegen den Konditionierungen der Sozialisation, die wir
erlebt haben. Und je komplexer ein System ist, desto schwieriger wird es, auf globaler Ebene etwas zu verändern. Daher kann die Wahrheit auch nicht darin bestehen, Einzelne zu beschuldigen oder
Verschwörungen zu vermuten, wo wahrscheinlich keine sind. Die „Wahrheit“ ist womöglich viel nüchterner.
Meine These zum Weltgeschehen lautet daher eher so: Das alles passiert nicht, weil fünf Köpfe irgendwo „da oben“ einen teuflischen Plan ausgeheckt haben und jetzt einen „Großen Reset“
durchsetzen, der uns alle vernichtet. Das alles passiert, weil es ein ganz natürlicher Teil der Entwicklung von Populationen und Kulturen ist. Zeiten des Wachstums und der Fülle werden von
krisenhaften Zeiten abgelöst.
Ich befürchte, dass wir alle teilweise immer noch glauben, dass eine Wachstumskurve stetig bergauf geht. Das entspricht aber weder den Gesetzen der Biologie noch entspricht es dem Leben selbst.
Es gibt keine menschliche Hochkultur, die nicht irgendwann wieder hinter dem Horizont verschwunden ist. Ob Maya oder Ägypter, Römer oder Kelten. Jede Kultur hat ihre Zeit.
Und ob es uns passt oder nicht: Auch unsere Kultur hat ihre Zeit. Meine Vermutung ist, dass wir uns an jenem Punkt in der Kurve befinden, der nahezu die Klimax darstellt. Die Ruhe vor dem Sturm
ist jedenfalls vorbei. Wir haben einen Höchstgrad an digitaler Vernetzung und Herrschaftsstruktur erreicht. Das Hamsterrad dreht sich schneller als jemals zuvor. Konflikte lodern hier und da auf
und auf allen möglichen Ebenen unseres globalen Zusammenlebens platzen gerade die Nähte. Und das passiert einfach. Es ist weder gut noch schlecht. Aber wie soll es weitergehen?

Wunderwaffe Gehirn?
Die Spezies Mensch ist gesegnet (oder verflucht?) mit einem präfrontalen Cortex. Einem Gehirnteil, der zu komplexen und planvollen Gedanken fähig ist. Wenn es uns gut geht und unsere
Grundbedürfnisse gesichert sind, können wir diesen Teil des Gehirns wunderbar nutzen.
In Krisen und Zeiten der Gefahr springt allerdings auch vermehrt unser ältester Gehirnteil an: Unser „Reptilhirn“, der Hirnstamm mit angrenzendem Kleinhirn. Hier wird es schwierig zu
intervenieren. Und auch Lustgewinn und Schmerzvermeidung sind in diesem alten Teil des Gehirns verankert. Sie funktionieren sozusagen instinktiv.
Ich kann keine Prognosen darüber machen, wie sich unsere Welt entwickelt. Klar ist für mich aber: Je häufiger wir unsere Fähigkeit zu bewusstem Denken und Handeln einsetzen und üben, desto besser
könnte es laufen für uns. Wenn wir lernen, dankbar zu sein für das, was schon da ist und wenn wir lernen, gut für uns selbst zu sorgen und auf dieser Basis einmal mehr im Sinne anderer Lebewesen
zu handeln, ist viel gewonnen. Was ich jedoch auch ausdrücken möchte ist: Manchmal ist Beobachten die einzig sinnvolle Option – niemand von uns wird die Welt „retten“ oder verändern.
Vielleicht wird unser Zeitalter einmal als „Technozän“ in die Erdgeschichte eingehen. Möglicherweise wachsen wir in den nächsten einhundert bis zweihundert Jahren aus unseren Kinderschuhen heraus
und schaffen einen nahtlosen Übergang in ein neues Zeitalter, das geprägt ist von wachsender und wiederkehrender Naturverbundenheit, ressourcenfreundlichem „simple Living“, gegenseitiger
Wertschätzung und nachsichtigem Handeln gegenüber sich selbst und anderen Lebewesen.
Vielleicht schaffen wir es aber auch nicht und haben in wenigen Jahren die Rente ab 70, die 45h-Woche, die totale Überwachung durch ein Sozialkredit-System, neue Pandemien der ernährungs- und
lebensbedingten Zivilisationskrankheiten und einen hohen Anteil an Armut gepaart mit wiederkehrenden klimatischen Katastrophenereignissen, die den Menschen zusätzlich zusetzen.
Der Weg wird letztendlich irgendwo in der Mitte liegen. Es ist unsere Entscheidung, ob wir weiter Gruben graben, in die wir selbst hineinstürzen werden oder ob wir anfangen, Wege zu gehen, die anderen als Orientierung und Vorbild dienen können. Die Hürde: Wir müssen es tun.
Es zu denken, führt noch zu keinem Ergebnis. Tun ist manchmal Schmerz, weil wir uns bewegen müssen – innerlich oder äußerlich – und weil wir vertraute und angenehme „Komfortzonen“ verlassen
müssen. Dies ist sicherlich kein instant Lustgewinn. Aber langfristig schon. Und auch wenn der Lebensstil eines Einzelnen nicht das Weltgeschehen maßgeblich verändert, so verändert es doch unsere
eigene Art zu Leben und schenkt vielleicht ein kleines bisschen mehr Lebensqualität in turbulenten Zeiten.
Es ist ein Weg der kleinen Schritte, bei dem immer nur der nächste Schritt zählt, nie der ganze Weg. Der Weg entsteht, indem wir ihn gehen. Wir haben nur die Gegenwart. Alles andere ist
gedankliches Konstrukt.
Was wirst du heute für dich tun?
Tom (Mittwoch, 16 November 2022 19:46)
Hallo, sehr interessante Gedanken, bin da sehr oft bei dir.
Ich glaube wir werden es als Gesellschaft nicht schaffen es zum guten zu wenden. Würde mich aber gerne positiv überraschen lassen.
Liebe Grüße Tom