Hinter Masken

 

Die Maskenpflicht ist mittlerweile vielerorts Realität. Ob als „Behelfsmaske“, „Community-Maske“ oder medizinisch als „Mund-Nasen-Schutz“ bezeichnet – das verpflichtende Tragen einer Maske, die einen wesentlichen Teil unseres Gesichts bedeckt, macht etwas mit uns. Wie fühlt es sich für dich an, „hinter Maske“ zu sein? Wie verändert die Maske deine täglichen Begegnungen und sozialen Interaktionen? Die „Psychologie der Maske“ spielt in der aktuellen Situation eine nicht unerhebliche Rolle.

Die Pandemie spaltet in vielen Punkten die Meinungen und Gefühle der Menschen. „Wie gefährlich ist das Virus wirklich? Wie sinnvoll sind die getroffenen Maßnahmen und wie berechtigt die angepeilten Lockerungen? Wem ist zu trauen, wem nicht? Wer profitiert vielleicht sogar, während viele einen erheblichen finanziellen Notstand erleben? Wann ist alles vorbei, wie lange dauert es noch?“ – das sind viele Fragen, die aktuell im Netz kursieren und aufgrund der Dynamik der Situation oft gar nicht beantwortet werden können. Viele Menschen fühlen sich verunsichert, haben Sorgen oder Ängste. Mit der Maskenpflicht verhält es sich ähnlich: Viele erleben die Pflicht als Erleichterung und fühlen sich dadurch sicher und geschützt, wieder andere fühlen sich unwohl bei dem Gedanken, in maskierte Gesichter zu blicken und selbst unter einer Maske atmen zu müssen.

 


Die Psychologie der Maske

Werfen wir gemeinsam einen Blick auf die Maske als kulturelles Phänomen: Die Maske findet sich in vielen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens und der menschlichen Kulturgeschichte. Dabei erfüllt die Maske verschiedene Zwecke und Funktionen: Als Schutz und medizinisches Werkzeug, als kosmetische Hilfe, Verkleidung und Kostümierung, als religiös-spirituelles oder traditionelles Ausdrucksmittel oder als Vermummung sowie Verhüllung getragen ist die Maske ein Teil unserer Lebenswelt.

Die Maske verändert bestimmte Details eines Gesichts, verdeckt es teilweise oder ganz. Der aktuell getragene Mund-Nasen-Schutz verdeckt die gesamte untere Gesichtshälfte und klammert auf diese Weise einen bedeutsamen Teil unseres Gesichts vollständig aus: Mimik und Emotionen sind jetzt nur noch bedingt oder gar nicht mehr lesbar. Dadurch schafft die Maske Distanz und bei vielen ein mulmiges Gefühl von unangenehmer, sozialer Anonymität und Uniformität. In psychologischer Hinsicht verwischt die Maske einen Teil unserer nach außen hin gezeigten Persönlichkeit, da sie etwas höchst Individuelles verbirgt: Das einzigartige Gesicht, das jedem menschlichen Wesen eigen ist und unser hauptsächliches Erkennungsmerkmal darstellt. Die Anonymität des Gesichts führt unweigerlich zu dem instinktiven Eindruck, nicht zu wissen „wen man vor sich hat“ oder „mit wem man es zu tun hat“.

 


Wer steckt hinter deiner Maske?

Ich möchte dich dazu einladen, die Psychologie der Maske auf dein eigenes Leben und emotionales Erleben zu beziehen. Wir alle haben eine bestimmte innere Realität, eine Identität und innere Haltungen sowie Überzeugungen, die wir gezielt nach außen tragen, um bestimmte Wirkweisen zu erzeugen – wir drücken uns aus und vermitteln anderen ein Bild von uns. Wir sind Meister und Meisterinnen darin, eine Rolle anzunehmen, in der wir uns tagtäglich zeigen und ausleben: Viele erleben sich vielleicht öfter in der Rolle der verständnisvollen Freundin oder des loyalen Freunds, in der Rolle der bürgerlichen Person, die einen bestimmten Beruf ausübt oder in einem bestimmten sozialen Umfeld agiert oder auch in der Rolle der angepassten Person, die versucht es jedem recht zu machen und dabei die eigenen Bedürfnisse oft übersieht. Es ist eine natürliche Eigenart und Fähigkeit des Menschen, in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Auf diese Weise bewältigen wir jeden Tag unseren Alltag.

Neben diesen „gesellschaftlichen Rollen“ gibt es auch noch eine Version von uns, die wir in den meisten Fällen nicht nach außen hin zeigen. Erst wenn wir allein mit uns sind oder im Kreise unserer engsten Vertrauten, können wir oft behaupten, dass wir jetzt so ganz „wir selbst“ sind. Wodurch zeichnet sich dieses „ich selbst“ denn aus? Wer ist es denn, der hinter der gesellschaftlichen Maske steckt? Du darfst hier einmal genauer hinsehen und mit dir selbst zusammen erforschen, wer du jenseits deiner Aufgaben und Pflichten bist. Und vor allem darfst du dich fragen: Wo in deinem Leben versteckst du dich hinter einer Maske?

Welche Eigenschaften, Haltungen und Meinungen sind dir – wie eine Maske – aufgesetzt worden? Welche sind deine eigenen? Wer möchtest du eigentlich sein und wer bist du bereits geworden? Findest du den Gedanken, dich so zu zeigen, wie du wirklich bist, beängstigend? Wenn ja, weshalb? An welchen Stellen deines Lebens hast du deine Masken bereits „fallen gelassen“? In welchen Bereichen fällt es dir schwer?

 


Die Maske als Zeichen von staatlichem Gehorsam?

Vielerorts müssen in bestimmten Lebensbereichen Masken zum Schutz aller getragen werden. Hinsichtlich der „Masken-Psychologie“ frage ich dich: Wie fühlt es sich für dich an, die Hälfte deines Gesichts verdecken zu müssen? Was empfindest du beim Tragen der Maske – sowohl körperlich als auch emotional? Das Tragen der Community-Maske ist hinsichtlich der aktuellen Lage zu einem Zeichen der gegenseitigen Rücksichtnahme geworden. Gleichzeitig symbolisiert es die Anpassung des Einzelnen an die soziale Herde und an die Auflagen des Regierungssystems. Die Maske erzeugt ein Paradoxon, das Verunsicherung auslösen kann. Auch wenn wir ihren Zweck und ihre beabsichtigte Funktion kennen, überlistet ihre Wirkung unseren natürlichen Instinkt.

Wir werden uns alle schrittweise an die Maskenpflicht gewöhnen müssen. Sei deshalb nicht zu streng mit dir, wenn du dich nicht wohl fühlst. Nutze die Situation und ihre Symbolik, um dich selbst besser kennenzulernen, indem du der Sprache des Lebens lauschst. 

 

 

Ich wünsche dir alles Gute, bleib gesund und stark.

Und vor allem: Bleibe bei dir!

 

 

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